Hobbyarchäologe Heiner Kirschmer legt erneut ungewöhnlichen Fund vor - Steinzeitbauern siedelten in Steinbach
Backnang - Erneut hat der Hobbyarchäologe Heiner Kirschmer vom Heimat- und Kunstverein Backnang eine Besonderheit aufgetan: ein Steinbeil aus der mittleren Jungsteinzeit. Der außergewöhnliche Fund liegt zwar schon einige Jahre zurück, seine Bedeutung wurde aber erst jetzt richtig erkannt.
Bei dem Stück handelt es sich um eine Hammeraxt, die der inzwischen verstorbene Landwirt Ernst Krathwohl bereits um 1990 auf Steinbacher Markung gefunden hat. Über Hermann Unger, ebenfalls aus Steinbach, hat Kirschmer, der dem archäo- logischen Arbeitskreis des Heimat- und Kunstvereins angehört, von dem uralten Kleinod erfahren. Vom Sohn des Finders, Günter Krathwohl, hat Kirschmer nun die Steinaxt zur Begutachtung und Dokumentation bekommen. Das Exemplar ist für den Backnanger Raum etwas ganz Besonderes, da bisher nur eine weitere durchbohrte Steinaxt bekannt ist. Diese wurde 1975 beim Hausbau in 80 Zentimetern Tiefe in der Ortsmitte von Allmersbach im Tal aufgefunden. Sie befindet sich heute im Heimatmuseum im Weissacher Tal.
"Sehr bedeutend", so Kirschmer, ist der Fund für die Heimatgeschichte unseres Raumes. Er bezeugt, dass in der mittleren Jungsteinzeit, also zwischen 4 900 und 4 400 Jahren, vor Christus, 'Bauern im Bereich des heutigen Steinbach lebten. Die Steinaxt hat eine Länge von acht Zentimetern, eine Breite, von sechs Zentimetern und eine Höhe von vier Zentimetern. Sie besteht aus Amphibolithi einem Material, das im Backnanger Raum nicht vorkommt und deshalb über Handelswege in diese Gegend gekommen sein muss. Das Steinbeil ist eine Hammeraxt, die mit der Spitze als Keil zum Abspalten von Holz diente. Mit dem Nacken, der Rückseite, wurde sie zum Hämmern benutzt, wie die Gebrauchsspuren deutlich zeigen. Typisch ist das exakte konische Bohrloch, das oben 2,5 und unten 2,2 Zentimeter misst. Dieses Bohrloch wurde mit einer Fiedelbohrmaschine hergestellt. Der Bohrmeißel bestand in der Regel aus einem hohlen Holunderstab, der im Hohlraum mit Quarzsand als Schleifmittel gefüllt war. Gebohrt wurde mit einer schnellen Drehbewegung des Hohlstabs. Die Rotation wurde mit einer den Stab umschlingenden Schnur und einem Fiedel- bogen erzeugt. Durch die Abnutzung des Hohlstabs entstand das konische Bohrloch. Für einen Zentimeter Bohrtiefe mussten die Menschen damals je nach Härte des Gesteins, wie Experimente belegen, mit 15 bis 20 Stunden Bohrzeit rechnen.
Die genaue Fundstelle der Axt ist nicht bekannt, Doch die Mitglieder des archäo- logischen Arbeitskreises wollen versuchen, den Fundort einzugrenzen. Dazu sollen al- le Äcker des Landwirts Günter Krathwohl auf jungsteinzeitliche Spuren überprüft werden. Auf Steinbacher Markung waren bisher zwei jungsteinzeitliche Fundstellen in den Fluren Neureissach und Scheuerwiesen bekannt. Die Hobbygeologen Rose und Klaus Dahl haben Ende 2003/Anfang 2004 überraschend zwei neue jungstein- zeitliche Siedlungsplätze in den Fluren Neureissach Nord-West und Heidenfeld entdeckt. Damit bleibt die Suche nach Spuren der Vergangenheit auf Steinbacher Markung auch weiterhin spannend.
(pm) Backnanger Kreiszeitung 12.2.2004